Es gibt auch in der Tiermedizin so einige Geschichten und Legenden! Der Pferdeapfel, an dem sich Hunde vergiften können ist nur Eine davon.
Und tatsächlich ist sie wahr!!!
Man muss aber von vornherein klarstellen, dass es sehr selten ist und passiert nur in einer ganz bestimmten "Konstellation", bei der zwei Voraussetzungen gegeben sein müssen:
1. muss der betroffene Hund einen MD1-Defekt aufweisen
UND
2. muss das Pferd mit dem Wirkstoff IVERMECTIN entwurmt worden sein - was aber zur Zeit aufgrund der Magendasselbekämpfung meist gegeben ist...
zu 1) bei Hunden mit MDR1-Defekt ist die Funktion der Blut-Hirn-Schranke gestört. Man kann es sich so vorstellen, dass die im Blut zirkulierende Stoffe (dazu zählen auch Medikamente)
normalerweise nicht vom Blut ins Hirn gelangen können, weil dort eine spezielle Barriere dies verhindert. Beim MDR1-Defekt ist diese Schranke allerdings durchlässig, sodass vielen Stoffen der
Übertritt ins Hirn gelingt. Daher wirkt das Medikament dann genauso gegen den betroffenen Hund wie gegen den Parasiten und äußert sich u.a. mit Lähmungserscheinungen. Erste Fälle zeigten sich in
den frühen 90er Jahren…
Bei Collies (Lang- und Kurzhaar), Australian Shepherds, Longhaired Whippets, Bobtail, Border-Collies und deren Kreuzungen kommt dieser Defekt am häufigsten vor. Allerdings können durchaus auch
andere Rassen betroffen sein.
zu 2) der Wirkstoff IVERMECTIN ist ein hochpotenter Wirkstoff, der gegen eine Vielzahl an Endo- und Ektoparasiten eingesetzt werden kann. Er gehört zur Gruppe der makrozyklischen Laktone und wird
in Teilen von Bakterien der Gattung Streptomyces gebildet.
Bei intakter Blut-Hirn-Schranke ist er bedenkenlos anwendbar. Beim Pferd wird er hauptsächlich im November bis Dezember gegen die Dasselfliegenlarven eingesetzt. Die Entwurmung wird hierbei in
der Regel per oraler Paste eingegeben - dadurch können in den Pferdeäpfeln noch u.U. ausreichend hohe Dosen Ivermectin enthalten sein, die bei Aufnahme durch Hunde mit MDR1-Defekt zu deutlichen
Symptomen bzw. zum Tode führen können.
Die unerwartete Wirkung des Stoffs wurde übrigens in den 90er-Jahren zufällig entdeckt nachdem die Krankenstationen der Tierkliniken mit genau den oben aufgeführten Rassen bei gleicher Symptomatik förmlich überquollen. Damals wurden Präparate mit diesem Stoff zur routinemäßigen Entwurmung von Hunden eingesetzt. Allerdings war der MDR1-Defekt zur damaligen Zeit noch unbekannt...
Wer seinen Hütehund also testen lassen möchte kann dies über eine Blutprobe machen, die bundesweit an die Justus-Liebig-Universität Gießen geschickt wird. Dort forscht die führende
MDR1-Defekt-Arbeitsgruppe um Professor Dr. Geyer.
Auch wenn man am Ergebnis nichts ändern kann, weiß man zumindest "woran man ist" - zum einen weiß man ob man beim Stallbesuch den Hund besser ständig anleint und zum anderen ob der Hund auch auf
andere Wirkstoffe fatal reagiert.
Denn es gibt noch eine Reihe anderer "problematischer Wirkstoffe" bei diesem Defekt (z.B. einige Antibiotika, Chemotherpeutika oder Magen-Darm-Pharmaka)
Auch wenn ich diesen Artikel lediglich reaktiviert habe ist er aufgrund des Entwurmungsschemas der Pferde (was hier nicht diskutiert werden sollte…) gegen Magendasseln aktuell wieder wichtiger denn je…
Quelle; Tierarzt Sebastian Goßmann-Jonigkeit (aus Engelskirchen nahe Köln)
Der MDR1-DEFEKT (ausführlichere
Version…)
Nachdem der Bericht zum Thema „…sind Pferdeäpfel giftig für Hunde?“ auf derart großes Interesse gestoßen ist und es viele weitere Fragen per Mail gab, möchte ich versuchen die Hintergründe etwas
näher zu beleuchten:
Der MDR1-Defekt verursacht, wie schon beschrieben, eine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke, wodurch es zu unerwünschten Nebenwirkungen einiger Wirkstoffe kommt
(nähere Beschreibung im Post vom 18. Februar).
Bei den folgenden RASSEN tritt er besonders gehäuft auf:
- Collie (Kurzhaar + Langhaar)
- Longhaired Whippet
- Australian Shepherd (Miniature + Standard)
- Shetland Sheepdog
- Silken Windhound
- McNab
- Wäller
- Weißer Schäferhund
- Old English Sheepdog
- English Shepherd
- Deutscher Schäferhund
- Border Collie
- Hütehund-Mischlinge
Darüber hinaus gibt es noch einige weitere Rassen, bei denen dieser Defekt vorkommt. Deren komplette Erwähnung würde hier definitiv den Rahmen sprengen. Daher sollte man sich im Zweifelsfall an
den entsprechenden Zuchtverein wenden, da denen meist die entsprechenden aktuellen Zahlen vorliegen.
Man kann natürlich auch seinen Hund testen lassen. Dazu ist lediglich die Entnahme einer kleinen Blutmenge nötig.
Das daraus resultierende TESTERGEBNIS ist wie folgt zu deuten:
MDR1 +/+ = der Defekt wurde NICHT vererbt und daher ist die Blut-Hirn-Schranke unbeeinträchtigt, Präparate werden diesbezüglich keine unerwünschten Nebenwirkungen hervorrufen.
MDR1 +/- = der Defekt wurde von einem Elternteil vererbt, sodass er auch an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Bei der Therapie mit kritischen Stoffen kann es durchaus zu
unerwünschten Nebenwirkungen kommen.
MDR1 -/- = der Defekt wurde von beiden Elternteilen weitergegeben und wird daher auch vererbt werden. Die Blut-Hirn-Schranke ist „fehlerhaft“, wodurch es zum ungewollten Übertritt von kritischen
Wirkstoffen ins Hirn des betroffenen Hundes kommt bzw. kommen kann.
Zu den KRITISCHEN Wirkstoffen zählen:
- Ivermectin
- Doramectin
- Moxidectin
- Loperamid
Zu den BEDENKLICHEN Wirkstoffen zählen:
Antibiotika: Erythromycin, Rifampicin, Levofloxacin, u.a.
Antimykotika: Ketokonazol, Itroconazol
Antiemetika: Domperidon, Ondansetron
Ulkustherapeutika: Cimetidin, Ranitidin
Opioide: Morphin, Fentanyl, Methadon, Butorphanol
Immunsuppressiva: Cyclosporin A, u.a.
Kreislaufmedikamente: Diltiazem, Digoxin, Verapamil, u.a
Zytostatika: Doxorubicin, Vincristin, Mitoxantron, u.a.
Anästhetika: Acepromazin
Auch dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt lediglich eine Zusammenfassung verschiedener (glaubwürdiger) Quellen dar.
Quelle; Tierarzt Sebastian Goßmann-Jonigkeit (aus Engelskirchen nahe Köln)